Kulturell divers und mehrsprachig aufwachsende Kinder – und damit ein Großteil der in Deutschland lebenden Kinder – sind ungleich höher von sprachdiagnostischen Fehlentscheidungen betroffen als einsprachige Kinder. Nachhaltige Fehlallokationen von Förder-und Therapieangeboten sind die Folge. Dies betrifft von einer Kommunikations- oder Sprachentwicklungsstörung betroffene mehrsprachig aufwachsende Kinder in besonderem Maße.

Heutige Spracherwerbssituationen und damit Entwicklungsverläufe sind vielschichtiger und komplizierter, und das in der klinischen Praxis anzutreffende Klientel wird diverser. So kann das in den vergangenen Dekaden entwickelte und zunehmend linguistisch ausgerichtete sprachtherapeutische Vorgehen, welches auf wissenschaftlichen Theorien und Erkenntnissen überwiegend zum Spracherwerb monolingualer Kinder der Mittelschicht konstruiert wurde, den Anspruch auf eine valide Identifikation einer potenziellen Sprachentwicklungsstörung (SES) nicht mehr erfüllen. Dabei wirken verschiedene Faktoren als Barrieren einer effektiven und effizienten Versorgung. Dies sind neben sozialen Problemlagen im kindlichen Umfeld vor allem mangelndes Wissen, die Verwendung uneinheitlicher Terminologie sowie damit verbunden der Einsatz ungeeigneter diagnostischer Methoden und Instrumente in der Sprach(entwicklungs)diagnostik, die als Wirkfaktoren zur sprachgesundheitlichen Un- und Unterversorgung mehrsprachiger Kinder beitragen.

Unter Verweis auf die neuere Studienlage regt der Vortrag zur kritischen Reflexion an und zeigt Lösungsansätze auf, um der ethischen Verpflichtung zur Gewährleistung einer chancengleichen Gesundheitsversorgung nachzukommen.