Tagungsbericht 22. Bad Nenndorfer Therapietage

 

 

CJD Institut Schlaffhorst-Andersen

Die 22. Bad Nenndorfer Therapietage des CJD Instituts Schlaffhorst-Andersen zum Themenkomplex „Vielfalt in der Therapie“ – Diagnostik und Therapie im sprach- und stimmtherapeutischen Arbeitsfeld fanden mit insgesamt über 150 Atem-, Sprech- und Stimmlehrern, akademischen Sprachtherapeuten und Logopäden statt. Als Tagungsort war erneut die Wandelhalle von Bad Nenndorf gewählt worden.

Die Struktur der Bad Nenndorfer Therapietage sah dieses Mal vor, dass die TeilnehmerInnen sich zunächst an zwei Seminartagen intensiv zu jeweils einem Thema fortbilden konnten. Am dritten Tag folgte dann der Kongresstag, der von den Vorträgen zweier renommierter Fachleute – Prof. Dr. Margit Berg und Prof. Dr. André Zimpel – eingerahmt wurde und an dem parallel Kurzseminare angeboten wurden, sodass aus einem breit gefächerten Themenangebot gewählt konnte.

Seminartage:

Die Intensivseminare wurden von renommierten Referentinnen und (einem) Referenten angeboten:

Barbara Zollinger bot mit „Frühe Therapie mit spracherwerbsauffälligen Kindern“ eine Fortsetzung ihres Seminars „Die Entdeckung der Sprache“ an. Nach einer Einführung zur entwicklungspsychologischen Sprachtherapie sowie den Prinzipien eines Phasenmodells wurden die therapeutischen Techniken für die Bereiche des Symbolspiels, der Individuation und des Sprachverständnisses beschrieben. Besondere Aspekte einer frühen Therapie von spracherwerbsauffälligen Kindern mit Bindungsstörungen sowie viele gute Videobeispiele aus der Praxis ergänzten das sehr intensive Seminar.

Besonders gelobt wurde von TeilnehmerInnen der kompetente, freie Vortrag der Referentin, hier mit Tagungsleiter Jens Kramer.

 

 

 

 

 

 

Jutta Talley (im Bild rechts, mit Julia Lukaschyk) beschäftigte sich mit der systemischen Arbeit in der Sprach-, Sprech- und Stimmtherapie. „Mit dem System im Blick – beherzt
handeln“ war ihr Motto und sie verband dies mit der Einladung an die TeilnehmerInnen, die sprach-, sprech- und stimmtherapeutische Arbeit systemisch zu sehen. Praxisbeispiele und praktische Übungen dienten dazu, sich mit der Wirkung von Sprache, der Beachtung des Systems, der Beziehungsmuster sowie der systemischen Grundhaltung zu beschäftigen. Es wurde viel ausprobiert und in Aussicht gestellt, wie solches Vorgehen den Berufsalltag bereichern kann. Der hohe Praxisanteil sowie die Kompetenz der Dozentin wurden von den TeilnehmerInnen besonders positiv gesehen.


Julia Lukaschyk, deren „Einführung in die Dysphagietherapie“ viele praktische Anteile bot, sorgte zunächst dafür, dass die theoretischen Grundlagen des Schluckaktes und der Anatomie aufgefrischt werden konnten. Die Diagnostik von Schluckstörungen und deren Therapie wurde in Theorie und Praxis anhand von Fallbeispielen intensiv beleuchtet, da es bei falscher Indikation und Therapie zu massiven Problemen kommen kann und der Respekt vor der Arbeit mit der entsprechenden Klientel groß ist. Es wurden bestehende logopädische Verfahren und die Integration des Konzepts Schlaffhorst-Andersen vorgestellt, erprobt und beleuchtet. Die Verknüpfung mit der Praxis und das professionelle Handout der Referentin überzeugten die SeminarteilnehmerInnen.

 

Prof. Dr. Margit Berg, die auch den Einstiegsvortrag am Samstag hielt (Bild), widmete ihr Seminar der „Kontextoptimierung: Förderung grammatischer Fähigkeiten spracherwerbsgestörter Kinder“.

Das Seminar befähigte die TeilnehmerInnen, kontextoptimierte Therapieeinheiten für die Förderung grammatischer Fähigkeiten spracherwerbsgestörter Kinder (vor allem im Vorschul- und Grundschulalter) zu planen und durchzuführen. Daher standen praxisbezogene Seminarinhalte im Vordergrund.

Die Kontextoptimierung (nach H.-J. Motsch) verbindet Phasen, in denen die Kinder sich bewusst mit der grammatischen Zielstruktur auseinandersetzen, mit Phasen, in denen die Anwendung der Zielstruktur weniger sprachbewusst erfolgt. Im Mittelpunkt des Seminars stand die Vorstellung konkreter Therapieeinheiten zu verschiedenen grammatikalischen Schwerpunkten. Auch hier waren es die praxisnahen Inhalte sowie die klare Struktur der Dozentin, die in der Seminarauswertung besonders hervorgehoben wurden.

 

Evemarie Haupt gab einen Überblick über die Integrative Stimmtherapie und-pädagogik (ISTP) in Theorie und Praxis. Die ISTP basiert, wie auch das Konzept Schlaffhorst-Andersen, von dem sie inspiriert ist, auf einem holistischen Ansatz.
Die darauf basierende Methode „Stimme IST Balance“ stellt sowohl für die Stimmtherapie als auch die Stimmpädagogik eine effektive Grundlage dar. Komplementäre Verfahren wie „Qigong und die fünf Elemente“ wurden integriert, welche den gesamten Klangkörper im Sinne einer Balance unterstützen. Frau Haupt überzeugte und begeisterte insgesamt als Mensch und durch ihre vorzügliche Seminargestaltung.

 

 

Wolfgang Saus und Ruth Seebauer rundeten mit „Jodeln meets Obertongesang –  eine synergetische Beziehung“ das Seminarangebot ab. Beide Stimmtechniken finden verschiedene Wege zu kraftvollen Obertönen, wie sie in jeglichen Stilrichtungen, wie in der Klassik, Folklore, im Jazz und  Pop im Klang angestrebt werden. Die TeilnehmerInnen des Seminars wurden in beide „exotischen“ Stimmtechniken eingeführt und erlernten beide Gesangsstile in Ansätzen. Während das Ideal im klassischen Gesang die Mischstimme mit einem glatten Übergang zwischen Brust- und Kopfstimme ist, ist es gerade der hörbare Registerbruch, der den Jodler zur Kunstform erhebt. Ruth Seebauer (vorn im Bild) vermittelte Im Workshop zwei- und mehrstimmige Jodler.

 

 

Obertongesang ist eine Gesangstechnik, die den Höreindruck einer Mehrstimmigkeit erzeugt. Wolfgang Saus (Bildmitte) stellte seine Methode des Obertongesangs vor, schärfte mit den TeilnehmerInnen deren Fähigkeit des Hörens und arbeitete mit ihnen an einer praktischen Umsetzung des Obertongesangs.

 

In der Begegnung von Jodeln und Obertongesang wurden die Gemeinsamkeiten und Abweichungen erfahrbar. Zur Freude und Faszination aller anderen Tagungsbesucher luden die WorkshopteilnehmerInnen in einer Pause zu einer kleinen „Werkstattaufführung“ als Probe ihrer stimmlichen Experimente ein. Das praktische Üben und die Experimentierfreude, gepaart mit der hohen Kompetenz und Begeisterung der Referentin und des Referenten wurden hier, neben der guten Atmosphäre und der zahlreichen neuen Erkenntnisse mit der eigenen Stimme und dem eigenen Hören besonders hervorgehoben.

 

Kongresstag

Der Kongresstag am Samstag wurde vom Tagungsleiter Jens Kramer eröffnet. Nach Worten des Danks verabschiedete Schulleiter Torsten Lindner (rechts im Bild) Jens Kramer als langjährigen Leiter und Organisator der Bad Nenndorfer Therapietage. Jens Kramer wird sich anderen Aufgaben widmen und hat die Tagungsleitung wie schon die Institutsleitung an Sibylle Tormin weitergegeben.

 

Nach musikalischen Beiträgen von Anna-Laura Henning und Alexander Niessig ging der Kongresstag mit dem Eröffnungsvortrag von Prof. Dr. Margit Berg von der Universität Ludwigsburg spannend weiter. Sie stellte das im Jahr 2015 veröffentlichte Diagnostikverfahren MuSE-Pro (der Name steht für „Morphologische und syntaktische Entwicklung – Produktion“) zur Diagnostik grammatischer Fähigkeiten vor. Das informelle Verfahren zielt darauf, mit geringem Zeitaufwand die Fähigkeit von Kindern zur Produktion grammatischer Strukturen zu erfassen und auszuwerten.

 

 

In der anschließenden Seminarphase waren eine Reihe renommierter Dozentinnen aktiv, die vertiefende Inhalte zum Tagungsthema anboten.

Evemarie Haupt zeigte den „Weg zu Kraft und Fülle der Stimme“.

 

 

 

 

Sybille Umlauf (rechts im Bild) gab Anregungen, wie das „Schwingen mit Kindern“ in die Therapie integriert werden kann.

 

 

 

„Fließend sprechen kann ich – und stottern!“ Stottertherapie im Konzept Schlaffhorst-Andersen war das Thema von Marie-Luise Waubert de Puiseau und Jörn Edling. Sie zeigten u.a., wie mit dem Einsatz der Atemschriftzeichen der Sprechfluss positiv beeinflusst werden kann.

 

 

„Praktische Einblicke in therapeutische Schritte bei Sprachentwicklungsstörung und Mehrsprachigkeit“ gab Hülya Turan.

 

 

 

Und schließlich zeigte Birgit Appelbaum mit „Komm und gebärde mit mir!“ Möglichkeiten der Kommunikations- und Sprachförderung mit Gebärden auf.

 

 

 

„Neurodiversität als sprachtherapeutische Herausforderung beim Spielen und Lernen“ lautete der Titel des Abschlussvortrags von Prof. Dr. André Zimpel, der mit vielen anschaulichen Videobeispielen deutlich machte, dass Neurodiversität, also die Anerkennung der Vielfalt funktionierender Nervensysteme als gleichberechtigte menschliche Lebensformen, Menschen davon befreit, im Gleichschritt einer Norm hinterherlaufen zu müssen. Lernschwierigkeiten in einem Bereich können die Lernfähigkeit in anderen Bereichen erhöhen. Das zu erkennen, verlangt Kreativität, die sich mit einem Mehrwert an Kreativität und Wissen bezahlt macht. Diesen Mehrwert konnte das interessierte Vortragspublikum mit nach Hause nehmen.

 

Am Ende wies die neue Leiterin des Instituts Schlaffhorst-Andersen auf die nächsten Bad Nenndorfer Therapietage 2018 hin. Sie werden am 9. und 10 November 2018 am selben Ort stattfinden und tragen den Titel „Sprache im Fokus“

Damit endeten der Kongresstag und mit ihm die 22. Bad Nenndorfer Therapietage 2017 zum Thema „Vielfalt in der Therapie“ – Diagnostik und Therapie im sprach- und stimmtherapeutischen Arbeitsfeld.

 

Eindrücke von den 22. Bad Nenndorfer Therapietagen 2017:

Wieder hat uns die Firma Hardekopf kulinarisch versorgt.

Am Morgen wurde im Freien geschwungen.
 

In den Pausen konnte man Erfrischungen zu sich nehmen und sich ausgiebig mit anderen BesucherInnen austauschen.

Oder die gewonnenen Erkenntnisse für sich Revue passieren lassen.

Auch die Büchertische der Aussteller konnten ausgiebig besucht werden: Die Firma PROLOG www.prolog-shop.de und die Buchhandlung Diana Künne aus Wegberg (Rheinland) www.dianakuenne.de waren ebenso wieder dabei wie Annette Fuhrig mit ihren Impulskarten: Ich mach mich stark www.impulskarten-ichmachmichstark.de.


Dorle Meyer leitete das Tagungsbüro und hatte für jedes Problem die Lösung.

Die AssistentInnen sorgten für die Begrüßung der TeilnehmerInnen …

… und für die Vorbereitung der Räume.

 

Die tollen Fotos verdanken wir Ines Teipel.  

 


Das ganze Team hat hervorragende Arbeit geleistet – vielen Dank dafür!

Sibylle Tormin, Leiterin des CJD Institut Schlaffhorst-Andersen (ISA)